„Weil ich's SO sage!“ – Unlearning Adultismus mit Kultureller Bildung

von BAM!-Kollektiv

Das BAM!-Kollektiv und Teilnehmende während eines Ausfluges. Copyrights @ Ksenia Porechina

Das BAM!-Kollektiv, gegründet von vorwiegend jungen Erwachsenen, setzt sich mithilfe Kultureller Bildung gegen Adultismus ein. Geprägt von eigenen Erfahrungen mit Adultismus in ihrer postsowjetischen Kindheit, reflektieren sie altersbedingte Hierarchien während sie Workshops für Kinder und Jugendliche entwickeln. Dabei setzen sie auf Empathie, Mitbestimmung und Respekt. Sie sprechen mit Ukrainischen Müttern über den Umgang mit Kindern in Deutschland und was hier anders als in der Ukraine läuft. Sie teilen ihre Gedanken dazu, wie Kulturelle Bildung jungen Menschen auf Augenhöhe begegnen und wie Adultismus überwunden werden kann.

Inhaltswarnung: Der Beitrag enthält konkrete Beispiele von Adultismus, darunter diskriminierende und herabwürdigende Verhaltensweisen gegenüber Kindern und Jugendlichen.

Krieg, Macht und Adultismus

Krieg, Macht und Adultismus

Das BAM!-Kollektiv kam durch unsere ehrenamtliche Arbeit zustande. Als der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann, wussten wir alle unabhängig voneinander, dass wir etwas unternehmen mussten. Einige Wochen später bot uns die Begegnungsstätte RoBertO in Berlin-Lichtenberg die Möglichkeit, ukrainische Kinder und Jugendliche, die auf einen Schulplatz warteten, in ihren Räumen sinnvoll zu beschäftigen. Angefangen mit gemeinsamem Deutschlernen erweiterten wir unser Angebot auf kreative Workshops, Ausflüge und andere Formen des Zusammenseins. Von Anfang an war uns bewusst, dass wir in unserer Arbeit Dinge anders angehen möchten: Wir wollen die traumatisierenden Erfahrungen aus unserer Kindheit und Jugend nicht reproduzieren. Erfahrungen, die wir jetzt mit einem Wort fassen können: Adultismus. Adultismus ist als gesellschaftliche Norm im postsowjetischen Raum auf Mikro- sowie Makroebene präsent. Russland betrachtet die Ukraine als sein Eigentum, als wäre die Ukraine selbst ein kleines Kind, das vom großen Russland bestraft werden darf, nur weil es nicht gehorcht hat.

Das BAM!-Kollektiv und Teilnehmende während eines Workshops. Copyrights @ Ksenia Porechina

Klein und machtlos: Die prägende Kraft des Adultismus einer (post-)sowjetischen Kindheit

Alle von BAM! sind im sowjetischen oder post-sowjetischen Raum aufgewachsen. Alle von uns haben Adultismus in der Kindheit und Jugend erlebt. Wir alle können uns gut an die Gefühle von Angst und Machtlosigkeit Erwachsenen gegenüber erinnern. Seniorität ist ein fester Teil der kulturellen DNA vieler Länder der ehemaligen Sowjetunion. Selbst wenn wir alle unterschiedlich alt und unsere Geburtsorte tausende Kilometer voneinander entfernt sind, haben wir beängstigend ähnliche Erfahrungen gesammelt. Machtmissbrauch begegnete uns täglich und in verschiedensten Lebenssituationen: in der Schule, beim Sport oder zu Hause. Das Dogma „Weil ich es SO sage!“  diente als allgemeingültige Erklärung für die unberechtigte Machtausübung durch Erwachsene.

Klein und machtlos: Die prägende Kraft des Adultismus einer (post-)sowjetischen Kindheit
Eine*r Teilnehmende*r mit einer Maske sitzt am Fenster. Copyrights @ Ksenia Porechina

Die Erinnerungen an unsere Lehrenden, die uns mit zwanghaften Aufgaben und verbaler Aggression konfrontierten, sind noch klar präsent. Einige Lehrer*innen ließen sich drakonische Strafen aufgrund kleinster Vergehen einfallen: stundenlanges Waschen eines Waschlappens, das Zerreißen von Heften wegen vermeintlich unordentlichen Schreibens oder eines Fettfleckes, die endlose Wiederholung von Aufgaben aufgrund Flüchtigkeitsfehler. All das fühlte sich wie eine reine Einschüchterung an. Diese Erfahrungen führten dazu, dass wir unsere Hausaufgaben und sogar Erwachsene zu meiden versuchten, während wir ständig unter dem Gefühl der Schuld standen.

Eine weitere Form des Adultismus, die sich in unserer Kindheit manifestierte, war die Vernachlässigung unserer grundlegenden Bedürfnisse. Oft wurden wir nicht ernst genommen und mussten uns mit harten Worten wie, „Ihr hattet genug Zeit in der Pause“ abfinden, wenn wir während des Unterrichts auf die Toilette mussten. Die Erinnerung an die drückende Blase und die quälende Angst, erneut abgewiesen zu werden, ist immer noch schmerzhaft präsent. Und dann dieser Moment, als das beschämende Gefühl sich unerbittlich zusammen mit der Nässe in der Hose ausbreitete...

Rückblickend ist es immer noch erstaunlich, wie wenig Verständnis Erwachsene für unsere Perspektiven aufbrachten, obwohl sie selbst einmal Kinder waren. Noch schockierender war es, zu sehen, wie unsere eigenen Mitschüler*innen diese Haltung übernahmen und Kinder unterschiedlicher Altersstufen aufgrund ihrer Jugendlichkeit schikanierten – oft sogar mit der stillschweigenden Billigung der Erwachsenen. Eine von uns erinnert sich besonders deutlich an eine Situation, in der ihre Kindergärtnerin einen gleichaltrigen Bully zum ‚Aufseher‘ machte. Dieses Kind wurde ermächtigt, auf drei- oder vierjährige ‚Unruhestifter*innen‘ direkt einzuprügeln – mit voller Zustimmung der Erzieherin.

Am frustrierendsten ist es dann, im Erwachsenenalter festzustellen, dass man selbst unbewusst kurz davor ist, in die Verhaltensmuster zu rutschen, die einem als Kind so viel Schmerz bereitet haben. Wir stellten in unserer Arbeit fest, dass in Momenten der Überforderung die im adultistischen System gelernten Muster sofort abrufbar sind: „DU MACHST ES SOFORT! Weil ich es so sage!“ Deshalb geben wir heute unser Bestes, unseren Umgang mit Kindern zu reflektieren und stets achtsam zu bleiben, um diese schädlichen Verhaltensweisen nicht zu reproduzieren.

Also, Adultismus abgelehnt und verlernt und das war's? Leider nein. Die traurige Realität ist, dass für einige von uns altersbasierte Diskriminierung immer noch ein akutes Problem ist. Wir schätzen uns glücklich, die Arbeit leisten zu können, die wir lieben. Jedoch wissen wir, dass es für ein Teil unseres Kollektivs nicht möglich wäre, ohne Bestätigung von ‚echten Erwachsenen‘ zu arbeiten. Trotz unserer Kompetenzen und Bereitschaft zu arbeiten, wären wir höchstwahrscheinlich von Organisationen, mit denen wir kollaboriert haben, nicht ernst genommen worden, hätten wir nicht die Befürwortung und Anerkennung der Kolleg*innen gehabt, die als erwachsene und erfahrene Personen gelesen werden.

Kunstwerk einer*s Teilnehmer*in. Copyrights @ Aisha Allakhverdieva
Gespräche mit vier Müttern aus der Ukraine

Gespräche mit vier Müttern aus der Ukraine

Die richtige[1] Mutter ist nicht immer eine gute Mutter

Wir haben den Umzug nach Deutschland und das Umlernen bereits hinter uns. Doch wie sieht es für diejenigen aus, die erst vor kurzem, seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine, nach Deutschland gekommen sind? Um mehr darüber zu erfahren, wie Menschen, die frisch aus dem postsowjetischen, adultistischen System kamen, mit der neuen Realität umgehen, sprachen wir mit vier Elternteilen, deren Kinder an unserem Programm teilnehmen. Nahmen sie Unterschiede im deutschen Schulsystem zu ihren Heimatländern wahr und wenn ja, welche? Besonders interessierten uns ihre Erfahrungen und Meinungen zum deutschen Bildungssystem und darüber, wie sie Konflikte mit Kindern lösen und Kinder in wichtige Entscheidungen einbezogen. Die Antworten, die wir erhielten, bieten wertvolle Einblicke in die Herausforderungen, die Erziehung, Kultur und gesellschaftliche Normen mit sich bringen. Unsere Gesprächspartnerinnen schilderten ganz ehrlich und ungeschönt ihre Erfahrungen und Meinungen. Um ihre Anonymität zu schützen, wurden ihre Namen geändert.

Sie haben den Eindruck, dass hier die individuellen Rechte, Meinungen und Wünsche der Kinder stärker berücksichtigt werden. Eine der Mütter, die wir Olena nennen, findet, dass in Berlin alles auf die Betonung der Individualität ausgerichtet ist, ganz nach dem Motto „Du bist gut so, wie du bist – sei auffällig!“ Kinder hätten in Deutschland mehr Wahlfreiheit und dürften ihre Meinung offen äußern, ohne sofort zurechtgewiesen zu werden. Eine andere Mutter, nennen wir sie Anna, nimmt die Sorge der Lehrkräfte um das Wohl der Kinder und ihre soziale Entwicklung wahr. Obwohl in ihrem Heimatland eher angepasste Gehorsamkeit der Jüngeren gegenüber den Älteren die Norm sei, versuchen Eltern in Deutschland Unstimmigkeiten mit den Kindern zusammen zu klären. Alle Mütter, also Olena, Anna, Maria und Evelyna, streben Kompromisse mit ihren Kindern an. Dabei bevorzugen sie es, ruhig zu verhandeln, anstatt Druck auszuüben. In solchen Fällen berücksichtigen sie die Sichtweise ihrer Kinder, versuchen eigene Positionen zu erklären und bieten Lösungsmöglichkeiten auf der Basis von eigenen Überzeugungen und der Ernsthaftigkeit der Situation in Frage.

Emotionen beeinflussen aber ihre Verhaltensweisen. Maria gibt zu, dass sie manchmal die Geduld verliert und anfängt Druck auszuüben und Vorwürfe zu machen. Im Endeffekt geht es nicht darum, immer richtig zu handeln, sondern zu versuchen, sich immer um das Wohl des Kindes zu bemühen. So (hinter)fragt Olena treffend, „wie man eine gute Mutter sein kann. Nicht die richtige[2] Mutter, [die die Regeln befolgt,] sondern eine gute Mutter. Denn die richtige Mutter ist nicht immer eine gute Mutter.“

Was die wichtigen Entscheidungen angeht, die die gesamte Familie oder Kinder persönlich betreffen, haben die Eltern folgende Ansätze: Erstens, dass sie wichtige Entscheidungen gemeinsam mit den Kindern treffen, ohne sie mit einer großen Verantwortung zu überlasten. Und zweitens, dass sie dem Kind im Rahmen seines Alters die Wahlfreiheit lassen, es aber zu der Entscheidung führen, die sie für richtig halten. Wenn das Kind darauf besteht, suchen sie nach einem Kompromiss. Es ist ihnen wichtig, dass Kinder von klein auf lernen, eigenständige und ausgewogene Entscheidungen zu treffen und deren möglichen Folgen zu erkennen.
 

Das deutsche Schulsystem aus Sicht der Mütter

Das Anpassen an eine neue Realität – das Leben in Deutschland – war besonders spürbar an der Schule. Die Eltern äußerten ihre Sichtweise auf die deutsche Schulbildung. Es sei ein Vorteil, dass Konflikte meist friedlich gelöst werden und der Stresspegel niedrig ist, da die Kinder weniger Hausaufgaben bekommen. Auch das Fehlen von übermäßiger Kritik und viel positives Feedback wird geschätzt: „Die Kinder werden für ihre Bemühungen belohnt, nicht nur für ihre Ergebnisse.“ Die Mütter erzählen, Kinder würden im deutschen Bildungssystem nicht diskriminiert oder hart gescholten, was zu ihrem emotionalen Wohlbefinden und ihrem Selbstvertrauen beiträgt.

Das habe jedoch auch Nachteile, findet Maria. Anforderungen seien so zu niedrig und Anreize für gute schulische Leistungen unzureichend, was in der Schule ihrer Kinder zu einer „zu“ entspannten Einstellung zum Lernen führe: „Ich denke, die Kinder sollten sich für ihre Ausbildung verantwortlich fühlen und wissen, welche Konsequenzen eine schlechte Ausbildung hat“, sagt sie.  Mangel an Pflichtgefühl beim Lernen im Allgemeinen führt aus der Sicht der Eltern zu Laschheit der Kinder beim Lernen.
 

Selbstkritik: Kontext Klasse

In Gesprächen mit den Eltern unserer Teilnehmenden gewannen wir wertvolle Einsichten in die Erfahrungen des Ankommens in Deutschland und der Reflexion von Adultismus. Dabei wurde uns jedoch bewusst, dass die Kinder und Eltern, mit denen wir arbeiten, aus einem vergleichsweise privilegierten Bildungsmilieus stammen. Ihre familiären Hintergründe ermöglichen ihnen einen Zugang zu Ressourcen und einem Bewusstsein, das nicht allen Familien in ähnlichen Situationen zur Verfügung steht. Wir schätzen es, dass diese Eltern ihre Erziehungsansätze reflektiert haben, doch wir müssen auch anerkennen, dass diese Perspektive nicht unbedingt die Realität aller Kinder mit und ohne Fluchterfahrungen in Deutschland widerspiegelt.

Obwohl wir erfreut darüber sind, dass unsere Werte als Team oftmals mit den Werten dieser Eltern übereinstimmen, dürfen wir nicht vergessen, dass die Erfahrungen und Herausforderungen, die wir in Bezug auf Adultismus besprechen, in einem breiteren Kontext betrachtet werden müssen. Gerade weil die Kinder per Bildungsstand und Care-Einstellung aus privilegierten Verhältnissen (und wir ja auch) kommen, müssen wir besonders aufmerksam hinterfragen, inwieweit unsere Arbeit tatsächlich zur Überwindung von adultistischen Strukturen beiträgt.


[1] Im Original: “правильная мама”. Die genauere Übersetzung wäre “laut gesellschaftlichen Normen und Erwartungen richtige Mutter”.

[2] Olena verwendet „правильная мать“, was als „eine richtige Mutter“ übersetzt werden kann, aber auch als die Mutter, die nach den Regeln handelt.

Teilnehmer*in hält ein Stück Papier vor das Gesicht, auf dem eine Fujifilm-Kamera gezeichnet ist. Copyrights @ Ksenia Porechina
Vogelperspektive auf einen Tisch, auf dem Kinderhände mit Buntstiften ein Stück Papier bemalen. Copyrights @ Ksenia Porechina
Adultismus verlernen: Unsere Prinzipien im Alltag

Adultismus verlernen: Unsere Prinzipien im Alltag

Als BAM! Kollektiv setzen wir uns bewusst dafür ein, unsere Rolle als Erwachsene beziehungsweise junge Erwachsene zu reflektieren und ständig zu hinterfragen. Hier teilen wir einige unserer wichtigsten Überlegungen und Prinzipien, die uns in unserer Arbeit leiten. Diese Gedanken sind keine festen Regeln, sondern lebendige Konzepte, die sich im Laufe der Zeit weiterentwickeln. Wir werfen sie hier in den Raum, um sie gemeinsam zu diskutieren und kritisch zu betrachten. Vielleicht kommt euch das ein oder andere auch aus der eigenen pädagogischen Arbeit bekannt vor?

Copyrights @ Ksenia Porechina
Copyrights @ Ksenia Porechina
Copyrights @ Ksenia Porechina
Copyrights @ Ksenia Porechina
  • Mitbestimmung und aktive Partizipation

Uns ist es wichtig, den Teilnehmenden so viel Freiheit wie möglich zu geben. Wir laden sie dazu ein, gemeinsam mit uns Entscheidungen zu treffen, sei es über den Ort und die Dauer von Pausen oder die Auswahl der nächsten Aktivitäten. Auch die auftauchenden Probleme lösen wir wo möglich gemeinsam. Ein zentraler Grundsatz unserer Arbeitsweise lautet: Unser Ziel ist es, dass alle eine gute Zeit haben und sich auf eigenen Wunsch entwickeln. Erzwungene Teilnahme steht dem entgegen. Dies kommunizieren wir ausdrücklich den Kindern: Wenn sie nicht möchten, müssen sie nicht an den angebotenen Aktivitäten teilnehmen. Zugegebenermaßen birgt dies ein gewisses Risiko: Was, wenn niemand interessiert ist? Wir würden es als ein Zeichen nehmen, unser Angebot umzugestalten. Bisher haben wir jedoch überwiegend positive Erfahrungen gemacht.

Es sind meistens nur wenige Kinder, die sich zurückhalten und für sie finden wir auch Alternativen. Wenn wir diese Kinder fragen, warum sie nicht mitmachen möchten, hören wir immer nachvollziehbare Gründe, die wir auch als Erwachsene gut nachempfinden können: Sie sind müde, das Thema interessiert sie nicht oder sie haben einfach keine Lust. Das kann z.B. passieren, weil die Angebote von Erwachsenen konzipiert werden. Das Recht zur Selbstbestimmung fördert bei den Teilnehmenden bewusste Kooperation, im Gegensatz zur blinden Gehorsamkeit. Obwohl Letzteres für die Gruppenleitung möglicherweise bequemer wäre, trägt es nicht zur inneren Motivation bei. Indem wir die Ideen von Teilnehmenden begrüßen, fördern wir nicht nur Kreativität, sondern auch das Verantwortungsbewusstsein der jungen Leute. Hier muss natürlich gesagt werden, dass Mitbestimmung bewusst eingesetzt werden muss: Manche Regeln sind nicht abzustreiten, nicht immer können die Teilnehmenden die Verantwortung für ihre Entscheidungen tragen, deswegen braucht dieser Aspekt besonders starke Reflektion.

  • Respekt und Empathie

Unsere Arbeit basiert auf einen respektvollen Umgang miteinander. Wir bemühen uns darum, dass die Kinder spüren, dass wir ihnen zuhören und sie verstehen. Manche Kinder sind daran gewöhnt, nicht ernst genommen zu werden und erwarten kein Verständnis von Erwachsenen. Deswegen kommt es vor, dass sie ihre Probleme und Ängste nicht mitteilen, z.B. in der Erwartung, ausgelacht zu werden. Gegenseitiger Respekt fördert offene Kommunikation und schafft eine entspannte Atmosphäre, in der die Kinder sich sicher fühlen, ihre Gedanken und Sorgen zu teilen. Empathische Kommunikation ermöglicht es uns, schnell auf Probleme zu reagieren und neue Perspektiven zu gewinnen. Ein Beispiel hierfür ist ein Gespräch, das wir mit der Gruppe führten, nachdem Tom (Name geändert) im Scherz eine homofeindliche Bemerkung gemacht hatte. Solche Gespräche sind zwar unangenehm, aber gut akzeptiert, wahrscheinlich auch, weil wir auf Augenhöhe miteinander gesprochen haben.

  • Offenheit und Transparenz

Die Teilnehmenden werden explizit über den Ablauf und die Regeln unserer Angebote informiert. Auch Babys und Kleinkinder profitieren davon, wenn sie wissen, was sie im nächsten Moment von ihrer Umgebung erwarten können. Auch wenn die Erwachsenen oft davon ausgehen, dass die kleinen Menschen noch nichts verstehen. Gemeinsam besprechen wir, wie der Tagesablauf aussieht und welche Regeln gelten, um Missverständnisse zu vermeiden. Dabei stellen wir sicher, dass die Regeln gerechtfertigt sind und jede Regel wirklich benötigt wird. Offene Kommunikation hilft dabei, Ängste und Unruhe zu mildern und ermöglicht es den Teilnehmenden, ihre Ressourcen besser zu planen.

  • Feedback und kritische Reflexion

Kritische Reflexion ist unerlässlich im Kampf gegen Adultismus. Wir hinterfragen regelmäßig unsere Entscheidungen, um sicherzustellen, dass wir inklusiv handeln und den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden. Dabei schätzen wir das Feedback unserer Mitgestaltenden sehr und schaffen einen sicheren Raum für konstruktive Kritik. Regelmäßige Feedbacks ermöglichen es den Teilnehmenden, anonym ihre Meinungen zu äußern.

Diese Grundprinzipien erfordern viel Zeit, Zuwendung und Empathie sowie Reflexion, also die Bereitschaft, eigene Fehler zu erkennen. Unter Stress und Druck ist es verständlich, dass schnell unbewusst auf sozial erlernte Verhaltensmuster zurückgegriffen wird. Aus diesem Grund ist es uns besonders wichtig, unsere Projekte zu viert durchzuführen, um erstens genug Personal zu haben, wenn unvorhergesehene Dinge passieren, z.B., wenn Teilnehmende ein Angebot nicht annehmen. Es ist immer jemand da, um in Stresssituation oder Momenten der Überforderung einzugreifen. Das einfachste und wahrscheinlich wichtigste, womit wir und auch ihr Adultismus kritisch entgegnen könnt, ist es, Teilnehmenden immer auf Augenhöhe zu begegnen und eigene Vorurteile zu reflektieren. Wir sind überzeugt davon, dass adultismusfreie Kommunikation sowohl für die Teilnehmende als auch für die Gruppenleitung vorteilhaft ist.
 

Fazit

Unsere Erfahrungen, sowohl als ehemalige Kinder im postsowjetischen Raum als auch als Workshop-Leitende in Deutschland, haben uns gezeigt, wie tief verwurzelt die Machtstrukturen sind, die wir und die Teilnehmenden noch ganz jung kennengelernt haben. Erinnerungen an Machtlosigkeit und Angst prägen viele von uns bis heute, und wir erkennen, wie leicht es ist, unbewusst in dieselben Verhaltensmuster zu verfallen, die uns selbst einst schadeten. Deshalb haben wir uns bewusst dafür entschieden, in unserer Arbeit alternative Wege zu gehen, die auf Respekt, Mitbestimmung und Empathie basieren.

Durch die Reflektion und bewusste Auseinandersetzung mit unseren eigenen Erfahrungen und Praktiken streben wir danach, eine Umgebung zu schaffen, in der Kinder ernst genommen und auf Augenhöhe behandelt werden. Doch wir wissen auch, dass dies ein fortlaufender Prozess ist – einer, der Geduld, Selbstkritik und die Bereitschaft erfordert, von den Jüngeren zu lernen.Mit diesem Artikel hoffen wir, nicht nur zum Dialog über Adultismus anzuregen, sondern auch dazu, gemeinsame Wege zu finden, um strukturelle Diskriminierung aufgrund des Alters abzubauen. Unsere Arbeit zeigt, dass adultismusfreie Kommunikation und partizipative Pädagogik nicht nur den Kindern, sondern auch uns als Erwachsene bereichern und uns allen helfen kann, in einer respektvolleren und gerechteren Gesellschaft zu leben.


BAM! ist ein soziokulturelles Kollektiv aus vier vorwiegend jungen Erwachsenen aus postsowjetischen Ländern. Sie bieten kreative und pädagogische Workshops für Menschen aus marginalisierten Gruppen an. Ihr Ziel ist es dabei, einen sicheren Raum für die kreative Entwicklung diese zu schaffen. In ihrer Arbeit reflektieren sie ihre Erfahrungen mit Adultismus und wollen altersbedingte Diskriminierung bekämpfen.